Ich bin weder zum Minimalismus noch zur Nachhaltigkeit über Nacht gekommen. Es gab kein einzelnes Erlebnis, nach dem ich gesagt habe „jetzt lebe ich nachhaltig und minimalistisch“. Vielmehr war und ist es ein Weg, auf dem ich mich befinde. Es gibt allerdings unterschiedlichen Voraussetzungen. Denn während ich nie geplant habe, minimalistisch zu leben und manche vielleicht meinen Lebensstil gar nicht als minimalistisch empfinden, ist es mir sehr wichtig, nachhaltig zu leben. Denn ich möchte, dass unser Planet auch noch in Zukunft lebenswert ist.
Es gibt drei große Stationen, die meinen Weg zum Minimalismus und zur Nachhaltigkeit geprägt haben.
Jährliches Ausmisten seit 2010
So richtig viele Sachen hatte ich eigentlich nie. Außer Bücher. Davon hatte und habe ich immer noch mehr als genug. Als Studentin bin ich dauernd umgezogen – mal in eine neue WG, mal ins Ausland und dann zum Praktikum. Und als Studentin hatte ich natürlich nicht so viel Geld, dass ich zwei Zimmer hätte finanzieren können. Also bin ich umgezogen. Irgendwie hat sich dadurch auch nicht so viel Kram angesammelt.
Das erste Mal „sesshaft“ bin ich geworden als ich mit meinem heutigen Mann zusammen gezogen bin. Wir haben dann immerhin fast 4 Jahre in derselben Wohnung gewohnt – ein echtes Novum für mein Erwachsenen-ICH. Als wir zusammen gezogen sind, sind wir durch alle unsere Sachen durchgegangen und haben alles Doppelte aussortiert. Dabei habe ich mich das erste Mal bewusst mit dem beschäftigt, was ich habe. Wir haben vorzugsweise die Dinge behalten, die mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllt haben und weniger die Dinge, die nur für eine Sache gut waren. Doch wir haben nicht nur Doppeltes aussortiert, sondern wir sind dabei durch alles durchgegangen und haben uns gefragt „Brauchst du das noch?“, „Kennst du jemanden, der das braucht?“ oder die finale Frage war „Ist das Kunst?“. Wenn wir alle drei Fragen verneint haben, kam das Ding weg.
Diese drei Fragen begleiten uns seitdem jedes Jahr einmal. Denn jedes Jahr im Januar gehen wir durch alle unsere Sachen durch und sortieren die Dinge aus, die wir nicht mehr brauchen. Anfangs waren es vor allem Klamotten. Doch später sind wir wirklich durch alles durchgegangen. Dabei ist wirklich spannend zu sehen, dass wir jedes Jahr echt viel aussortiert haben obwohl wir es doch jedes Jahr machen. Und es ist nicht so, dass wir übermäßig viel gekauft hätten. Denn für uns waren gemeinsame Erlebnisse wie Reisen, Essen gehen oder Ausflüge in die Natur schon immer wichtiger als mehr Sachen für unser zu Hause.
Dennoch haben wir durchaus auch einige Sachen neu gekauft. Denn mit der Zeit haben wir eine ganze Reihe unserer Sachen ausgetauscht – wir wollten hochwertige Versionen der Dinge, die wir hatten. Beispiele sind unser Geschirr oder Besteck. Das mag auf den ersten Blick wenig nachhaltig erscheinen, denn am nachhaltigsten ist es, die Dinge weiter zu benutzen, die man hat. Und eigentlich auch auf den zweiten Blick ist es aus dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit nicht die beste Option. Dennoch muss ich ehrlicherweise zugeben, dass ich es wahrscheinlich wieder machen würde, denn wir haben uns wirklich schöne zeitlose Dinge ausgesucht, die gut zusammen passen, sehr lange halten werden und von denen wir auch in 20 Jahren noch kaputte Teile nachkaufen können.
Umzug ins Wohnmobil
Der wohl größte Einschnitt war unsere Entscheidung in 2016, für zwei Jahre aus dem Alltag „auszusteigen“ und Europa mit dem Wohnmobil zu erkunden. Recht schnell war klar, dass wir einen wirklichen Schnitt machen wollten – wir haben unsere Jobs gekündigt, unsere Wohnung gekündigt und wollten nach den zwei Jahren auch einen kompletten Neustart. Deshalb sind wir durch alle unsere Sachen wieder Mal durchgegangen und haben entschieden, was wir einlagern wollen oder weggeben wollen. So haben wir fast unsere gesamte Einrichtung verkauft, verschenkt, gespendet oder was gar keiner mehr haben wollte weggeworfen. Nur die hochwertigen Dinge, die wir in den Jahren zuvor gekauft haben und von denen wir wussten, dass wir sie danach wieder genau so kaufen würden haben wir behalten. Insgesamt haben wir 25 Kisten behalten – davon alleine 8 Bücherkisten.
Wenn Euch interessiert, wie wir unseren gesamten Hausstand einmal aussortiert haben, lest doch einfach unseren Blogpost bei 720 Days in Europe.
Reise durch Europa
Während unserer Reise haben wir kaum etwas vermisst – zumindest nichts, was man einfach so kaufen kann. Denn gegen eine etwas größeren Wassertank, der längeres Duschen möglich gemacht hätte, hätte ich tatsächlich nichts einzuwenden gehabt. Tatsächlich haben wir beim Einzug ins Wohnmobil nicht mal alle unsere Staumöglichkeiten ausgenutzt. Zusätzlich haben wir während unserer Familienbesuche immer wieder etwas aussortiert, was wir gar nicht brauchten. Selbst auf 14m2 kann man noch zu viel Zeugs haben.
Das Leben im Wohnmobil hat uns klargemacht, dass wir nie wieder so viel Zeugs haben möchten wie wir vor unserer Reise hatten. Denn das Leben ohne viele Sachen fühlt sich einfach so leicht an. Alles ist viel klarer, wenn man nicht dauernd von irgendwelchen Dingen abgelenkt wird. Das war wohl der Zeitpunkt ab dem ich begonnen habe, mich selbst als Minimalist zu sehen.
Auch das Thema Nachhaltigkeit ist noch einmal viel wichtiger für uns geworden. Im Wohnmobil waren wir viel näher an der Natur dran als je zuvor und da haben wir auch viel mehr die Natur wahrgenommen. Bereits vor unserer Reise habe ich mich mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz auseinander gesetzt und zum Beispiel darauf geachtet, dass ich hauptsächlich Bio-Lebensmittel und Bio-Kosmetik – am liebsten unverpackt – kaufe.
Nun hatte ich ein Kleinkind, welches durch die Straßen krabbeln wollte – Straßen, auf denen häufig Zigarettenstummel und anderer Müll rumlag. Gleichzeitig erinnere ich mich mit Grausen an einige Strände in Nordalbanien, die voller Plastikmüll waren. Wir haben einige Säcke in die nächste Gelbe Tonne gebracht (ja, so etwas gibt es auch in Albanien). Und am nächsten Tag war wieder ein großer Teil da. Denn das Plastik wird einfach vom Meer an den Strand gespült.
Auf unserer Reise habe ich dann auch die Idee für eselva gehabt. Denn während ich all den Müll gesehen habe, habe ich immer mehr und häufiger über das Thema Nachhaltigkeit nachgedacht. Dann habe ich – wie viele andere auch zu Beginn ihres Nachhaltigkeits- und Minimalismus Wegs – nach konkreten Alternativen für die konventionellen Produkte gesucht, die ich noch genutzt habe. Und ich fand es unglaublich schwierig, zwischen verschiedenen angeblich nachhaltigen Alternativen auszuwählen. Eins der Paradebeispiele ist die Bambuszahnbürste. Ich habe mich gefragt, was besser ist: die Bambuszahnbürste, die in China produziert wird und nach Europa verschifft werden muss oder die Bioplastikzahnbürste, die in Deutschland produziert wird. Heute ist die Antwort für mich einfach, doch damals nicht. Ich kam zu dem Ergebnis, dass es nicht vom Konsumenten verlangt werden kann, dies herauszufinden. Sondern es muss eine Möglichkeit geben, beides zu vereinen und doch einfach Bambuszahnbürsten in Deutschland oder zumindest Europa zu produzieren – natürlich mit Bambus, der in Europa gewachsen ist. Während der Reise habe ich dann auch begonnen, mich näher mit Bambus und dessen Anbau auseinander zu setzen und musste schnell feststellen, dass Bambus nicht in Deutschland wirtschaftlich anbaubar ist. Damit hat meine Idee erst mal geruht und ich habe mich stattdessen wieder mehr auf meine Maus konzentriert und die Zeit unterwegs genossen.
Neue Wohnung
Für uns war immer klar, dass unsere Zeit im Wohnmobil begrenzt sein würde. Deshalb war auch klar, dass wir irgendwann wieder zurück nach München wollen und dort mit unserer Kleinen sesshaft werden. Als wir dann tatsächlich Mitte 2020 zurück kamen, sind wir zuerst in eine komplett leere Wohnung gezogen und haben die ersten Wochen noch auf der Matratze aus dem Wohnmobil geschlafen, unser Esstisch war der Campingtisch aus dem Wohnmobil und unsere „Couch“ war einfach eine Decke. Als wir alle unsere Kisten ausgepackt hatten, konnten wir gut kochen und essen, aber alles andere fehlte immer noch.
Wir haben uns sehr viel Zeit gelassen, um unsere Wohnung einzurichten – insgesamt hat es ein mehr als sechs Monate gedauert. Das ist ungewöhnlich für uns, die normalerweise innerhalb einer Woche komplett in einer neuen Wohnung ankommen und selbst alle Lampen bis dahin angebracht haben.
Doch diesmal hat es sehr lange gedauert, da wir uns komplett mit natürlichen Materialien einrichten wollten und es uns dennoch leisten können wollten. Gleichzeitig wollten wir jedoch auch schöne Möbel haben und nicht an Bequemlichkeit sparen. Besonders schwierig waren die Polstermöbel, denn wir wollten diese auch Probesitzen. Denn Polstermöbel werden häufig erst nach der Bestellung produziert und man kann sie nicht einfach so zurückgeben, wenn sie nicht gerade kaputt sind. Zum Schluss haben wir für unsere Couch recht tief in die Tasche gegriffen und bei Grüne Erde gekauft und sind absolut begeistert von Komfort und Design. Bei den Stühlen waren wir jedoch nicht bereit, fast 1000€ für einen Esszimmerstuhl zu zahlen und haben mehrere Monate nach einem gesucht und sind zum Schluss bei der Möbel Kolonie – einer kleinen Münchner Möbelmanufaktur fündig geworden.
Manche Dinge haben wir nicht so gefunden wie wir wollten. Da haben wir zu Schrauben und Akkubohrer gegriffen und kurzerhand einige Dinge selbst gemacht oder umgebaut, wie unser Bücherregal oder unsere Wurmkiste.
Unsere Erfahrung beim Einrichten unserer Wohnung war auch zum Schluss der letzte Stups, um eselva zu gründen. Denn Couch und Stühle waren lediglich die Spitze des Eisbergs. Wir haben auch für viele kleinere Alltagsgegenstände sehr lange gesucht, um eine nachhaltige Möglichkeit zu finden.
Mittlerweile sind wir komplett und haben dennoch viel weniger Dinge als noch früher. Viele Dinge brauchen wir einfach nicht. Und wir sind gespannt, wie unsere Ausmist-Aktion nächsten Januar aussieht. Denn es gibt schon wieder die ersten Dinge, die uns auffallen, dass wir sie nicht mehr brauchen.